Der König auf dem Turm

Ein König gar fein mit viel schönem Land,

der wußte sehr wenig, trotz regem Verstand.

Er liebte sich selbst, wie der Tag liebt die Nacht,

schuld waren die Frauen, die ihn wirr gemacht.

 

Entrissen den Klauen dieser schmeichelnden Wesen,

die sahen sein Reich,

er, der König, war ihnen gleich,

als wäre er nie gewesen, traf einen Mann,

der, was er sonst noch alles kann war nicht zu glauben, durch die Landschaft reiste um zu malen.

Auch um zu musizieren,

dichten, tanzen, jubilieren.

Mit einem Wort: Einen Menschen geküßt von der Muse – in ihrer Gunst,

ein Mann der Kunst.

 

„Lebst du besser als dein König?”, fragte der Herrscher den Malerfreund.

„Oder geht es dir wie mir ein wenig, hast auch du schon um dein Glück geweint?”

 

Darauf der Künstler sehr empört,

als ob er hätte sich verhört,

meinte nur in lautem Ton:

„Herr und König, auch ich litt schon!

Unter diesem und jenem,

Schlechtem und Schönem.

Und höre jetzt genau,

ich liebte eine Frau

und ich liebe sie immerfort,

doch sie weilt an einem fernen Ort.”

 

„Warum gehst du sie nicht holen,

das Glück sei dir hold.

Ich gebe dir Reiter und Waffen und Wagen voll Gold.

Ich möchte sie sehen, die Frau die noch liebt,

ob es sie hier auf Erden wirklich gibt?

Oder ob sie deiner Phantasie entkommen,

von deinem Herzen wurde aufgenommen.”

 

So brach er auf, um sie zu finden,

der König litt und wollte nicht überwinden,

dass er, der Herrscher, der Mann über Land

mit seinem geglaubten Verstand,

nur geliebt wurde wegen der Macht,

die ihm sein Vermögen gebracht.

 

Die Jahre vergingen, tagein und tagaus

stieg der König auf den Turm hinaus,

um zu sehen ob er kommt,

der Künstler in dem die Muse wohnt.

Ob es stürmte oder schneite,

die Sonne brannte oder der Himmel weinte,

er stand nur da und suchte in der Ferne nach dem Glücklichen.

 

Leider machte die Zeit nicht halt,

Turm und König wurden alt.

Beide waren schwach und grau,

der König brauchte eine Frau.

Diese sollte ihm Kinder schenken,

gute, fleißige Regenten.

 

Aber niemand folgte seinem Traum.

Doch eines Nachts, er stand auf dem Turm,

da sah er in der Weite

flackerndes Licht,

zu rasen begann wildester Sturm,

er traute seinen Augen nicht.

Endlich! Er versprach es und er kam,

plötzlich fing der Turm zu knarren an.

Ein ganz sachtes Schwanken,

der König mußte wanken,

war der Bote der Zeit und der Vergänglichkeit.

Der Turm war alt,

der Sturm war stark und hatte die

wirkliche Macht,

er bot keinen sicheren Halt.

Der König schrie: „Er kommt, dass hätte ich mir nicht gedacht!”

und stürzte mit all den Steinen

in die Nacht.

 

Da lag er nun der Mann und wollte nicht eher gehen, bevor er hatt sie gesehen.

So kam es, dass er beide sah,

glücklich umschlungen, ein wunderbares Paar.

Vor Rührung und mit letzter Kraft er sprach:

„Alles von mir gehört von nun an dir.

Aber merke, was nützt dir Macht und Gold,

wenn dich vor dem Glücke der Himmel holt.

Vergeude deine Zeit nie mit warten auf die Glückseeligkeit, sondern sei ganz du,

dann kommt, wie man sieht, auch die richtige Frau dazu.”

 

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